Internationale Aktionstage

Bewusstsein verbreiten – Resistenzen stoppen!

Europäischer Antibiotika-Tag am 18. November 2023 und Welt-Antibiotika-Woche vom 18.-24. November 2023

02.11.2021

Schon lange warnen Expert/innen davor, dass uns in der Zukunft ein post-antibiotisches Zeitalter bevorstehen könnte, in dem die Menschheit nicht mehr auf die Wirksamkeit von Antibiotika zählen kann. Für die globale Gesundheit wäre das eine Katastrophe, denn selbst alltägliche Infektionen könnten plötzlich lebensbedrohlich werden. Schon jetzt gehen weltweit jedes Jahr etwa 700.000 Todesfälle auf das Konto resistenter Organismen, und diese Zahl könnte dramatisch steigen. Ob und wann dieses Schreckensszenario jedoch eintritt, ist von vielen Faktoren abhängig. Wie umsichtig setzen die Menschen Antibiotika zukünftig ein, wie schnell verbreiten sich resistente Keime, wie zügig geht die Entwicklung neuer Wirkstoffe voran? Die Welt-Antibiotika-Woche (WAAW) und der Europäische Antibiotika-Tag (EAAD) sensibilisieren alljährlich im November mit Awareness-Kampagnen für die Problematik und rufen zum umsichtigen Einsatz antimikrobieller Wirkstoffe auf – so auch in diesem Jahr.

Europa und die Welt: Zwei Kampagnen – ein Ziel

Grundsätzlich haben der 2008 vom European Centre for Disease Prevention and Control(ECDC) ins Leben gerufene EAAD und die 2015 von der Weltgesundheitsorganisation WHO initiierte WAAW ein gemeinsames Ziel: Spread Awareness, Stop Resistance – Handle Antibiotics with Care!“ durch Aufklärung den umsichtigen Einsatz von Antibiotika fördern und dadurch Antibiotika-Resistenzen vermeiden. Während der EAAD jedoch nach wie vor auf Antibiotika – also Medikamente gegen bakterielle Infektionen – fokussiert, hat die WAAW ihre Botschaft seit ca. zwei Jahren auch auf Medikamente gegen Viren, Pilze und Parasiten ausgeweitet (sog. Antimicrobials). Und in diesem Jahr geht die WAAW sogar noch einen Schritt weiter und ruft gemeinsam mit der Food and Agriculture Organization of the UN (FAO), dem United Nations Environment Programme (UNEP) und der World Organisation for Animal Health (WOAH) nicht nur den Gesundheitssektor, sondern auch angrenzende Bereiche wie den Lebensmittel- und Agrarsektor auf, Resistenzen gemeinsam vorzubeugen [1].

Was bedeutet Antimikrobielle Resistenz (AMR)?

Antimikrobielle Resistenz (AMR) tritt auf, wenn Erreger nicht mehr auf antimikrobielle Wirkstoffe ansprechen, zu sogenannten resistenten und ggf. auch multiresistenten Erregern (MRE) werden. Infolge der Arzneimittelresistenz werden standardmäßig eingesetzte Antibiotika und andere antimikrobielle Mittel unwirksam, und Infektionen lassen sich nur noch schwer oder gar nicht mehr behandeln, was das Risiko der Ausbreitung von Krankheiten, schwerer Erkrankungen und des Todes erhöht [1].

Resistenzen betreffen nicht nur Bakterien, sondern auch Viren, Pilze und Parasiten

Bakterien, Viren, Pilze, Parasiten – sie alle sind in der Lage, resistent gegen antimikrobielle Medikamente zu werden. Dieser Vorgang ist natürlich, doch wird er vor allem durch den missbräuchlichen Einsatz der Medikamente stark vorangetrieben. Darüber hinaus trägt mangelhafte Hygiene dazu bei, dass sich resistente Erreger überhaupt ausbreiten können.
Bei den Bakterien bereiten global betrachtet unter anderem pathogene E. coli, Klebsiellen und MRSA, aber auch die Erreger von Tuberkulose und Gonorrhoe („Tripper“) Sorgen. Bakterien können entweder gegen bestimmte Antibiotika von vornherein unempfindlich sein, weil sie die erforderliche Zielstruktur nicht besitzen (z. B. die Zellwand) oder resistent werden, weil sie durch Mutationen oder den Austausch von Erbmaterial mit anderen Erregern plötzlich in der Lage sind, die Wirkstoffe enzymatisch abzubauen (z. B. durch β-Laktamasen) [2].E. colials häufigster Verursacher von Blutstrominfektionen weltweit ist laut eines WHO-Berichts in ärmeren Ländern bereits zu beinahe 60 % resistent gegen sog. Reserve-Antibiotika [3].

Aber auch bei den Viren gibt es zahlreiche Beispiele von Resistenzen gegen antivirale Medikamente, wie am Fall von HIV und auch Influenza [4] deutlich wird. Von großer Bedeutung für tropische und subtropische Regionen sind darüber hinaus resistente Parasiten der Gattung Plasmodium, die eine Malaria-Behandlung erheblich erschweren [3].

Bei den Pilzen, gegen die ohnehin nur wenige antimykotische Wirkstoffklassen existieren, sind zunehmende Azol-Resistenzen bei Candida und Aspergillus klinisch problematisch [5].

Gezielte Vorbeugung: Bewussterer Umgang mit Antimicrobials ist elementar

Um der weiteren Zunahme antimikrobieller Resistenzen und deren dramatischen Folgen zukünftig vorzubeugen, ist vor allem ein korrekter und umsichtiger Umgang mit diesen Medikamenten elementar. So müssen beispielsweise Dosierung, Behandlungsbeginn und -dauer stimmen und das Wirkspektrum zum jeweiligen Erreger passen.

Außerdem gilt es natürlich, Infektionen möglichst generell zu vermeiden, um die Verbreitung resistenter Erreger zu verhindern – z. B. durch hygienische Maßnahmen wie gute Hände- und Flächenhygiene sowie durch Impfungen. Inwiefern sich die COVID-19-Pandemie langfristig auf Resistenzen auswirkt, wird aktuell ebenfalls diskutiert [6], kann aber erst abschließend beurteilt werden. Die WHO befürchtet weiterhin einen
Pandemie-bedingt gehäuften Einsatz antimikrobieller Medikamente und dadurch eine höhere Gefahr der Resistenzbildung. Hoffnung macht hingegen eine gemeindebezogene britische Studie, die eine nachhaltige Verringerung von Antibiotika-Verschreibungen seit dem ersten Lockdown bis zum Jahresende 2020 beobachtete [7] – auch wenn die Gründe dafür unklar bleiben. Zudem wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) für das Jahr 2020 weniger Fälle Antibiotika-resistenter Bakterien gemeldet als erwartet, was – falls nicht einer versäumten Übermittlung geschuldet – auf weniger nosokomiale Infektionen in diesem Zeitraum hinweisen könnte. Doch Grund zum Aufatmen besteht beim Thema Resistenzen nicht, denn soeben fanden Forschende in Deutschland Bakterien, die bereits gegen eine neue, noch gar nicht routinemäßig eingesetzte Kombination zweier antimikrobieller Substanzen resistent sind [8].

Kampf gegen MRE gelingt nur gemeinsam

Fest steht auf jeden Fall, dass der Kampf gegen multiresistente Erreger (MRE) nur gemeinschaftlich gelingen kann. Jeder kann seinen Beitrag leisten, ob als Konsument/in, Patient/in oder Profi. Helfen auch Sie mit, das Bewusstsein dafür zu steigern. Feiern Sie mit uns den EAAD und die WAAW!„Spread Awareness, Stop Resistance – Handle Antimicrobials with Care!“ und „Clean Hands!”.

#MissionInfectionPrevention #AntibioticAwareness #AntimicrobialAwareness #Handhygiene #PreventingAntimicrobialResistanceTogether

Quellen:

  1. Weltgesundheitsorganisation WHO (2022) Antimicrobial resistance (who.int).
  2. Witte W, et al. (2004) Bakterielle Erreger von Krankenhausinfektionen mit besonderen Resistenzen und Multiresistenzen – Teil I: Diagnostik und Typisierung. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz; 47: 352-362.
  3. Weltgesundheitsorganisation WHO (2021) Global Antimicrobial Resistance and Use Surveillance System (GLASS) Report 2021.
  4. Lampejo T.(2020) Influenza and antiviral resistance: an overview. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 2020; 39(7): 1201-1208.
  5. Perlin DS, et al.(2017) The global problem of antifungal resistance: prevalence, mechanisms, and management. Lancet Infect Dis; 17(12): e383-e392.
  6. Monnet DL, Harbarth S. (2020) Will coronavirus disease (COVID-19) have an impact on antimicrobial resistance? Euro Surveill; 25: 2001886.
  7. Zhu N, et al. (2021) Investigating the impact of COVID-19 on primary care antibiotic prescribing in North West London across two epidemic waves. Clin Microbiol Infect; 27(5): 762-768.
  8. Nordmann P, et al. (2021) Recent Emergence of Aztreonam-Avibactam Resistance in NDM and OXA-48 Carbapenemase-Producing Escherichia coli in Germany. Antimicrob Agents Chemother. 65(11):e0109021. doi: 10.1128/AAC.01090-21

Diese Artikel könnten Sie ebenfalls interessieren